Massivholzhandbuch 2.0

NACHHALTIGKEIT 17 Ökobilanz und Kaskadennutzung von Holz Durch eine Ökobilanz werden sämtliche umweltrelevanten Vorgänge, die entlang des Lebenszyklus von Produkten und Werkstoffen entstehen, aufgeführt. Hierunter fallen unter anderem Emissionen, die beim Transport von Halbwaren entstehen oder die aus der Energieerzeugung für die Produktion anfallen. Die Systemgrenzen einer Ökobilanz können je nach Produktart und Produktlebenszyklus variieren (siehe Abbildung 13). Abbildung 13 – Systemgrenzen bei der Bauholzproduktion, Zuschnitt 65, proHolz Austria Produktlebenszyklus und Nutzungskaskade Phase 1 – Produktionskette: vom Baum zum Produkt Während der gesamten Produktion, welche die Ernte der Bäume, die Herstellung, Bearbeitung der Produkte (Sägen, Oberflächenbearbeitung, Zusammenbau etc.) sowie den Transport zur Baustelle und die Montage miteinschließt, ist der Energieaufwand (die sogenannte „graue Energie“) weitaus geringer als bei anderen Bauweisen. Umweltrelevante Daten für Grundbaustoffe und Holz Baustoff Dichte ρ [kg /m³] Versauerungspotenzial AP [g / kg] Treibhauspotenzial GWP100 [kg CO2-eq / kg] Primärenergieinhalt PEI massebezogen [MJ / kg] Ziegel – Hochlochziegel 1200 0,541 0,19 2,5 Stahlbeton 2400 0,55 0,167 1,22 Holz – Schnittholz Fichte gehobelt, techn. getrock. 450 1,51 -1,63 3,21 Holz – Massivholzplatte PF 3-Schicht 450 2,25 -1,38 7,58 außerhalb der Systemgrenze zuschnitt 65.2017 6 7 Kreislauf Holz Warum bezeichnet man Holz als klimaneutral? Im Rahmen der Ökobilanz wird die im Gebäude gebundene Menge des Kohlenstoffs nachgewiesen und in der Erstellungsphase (A) mit negativem Vorzeichen angerechnet. Bei Beseitigung des Gebäudes oder einzelner Teile des Gebäudes wird der Kohl nstoffspeicher aufgelöst und bei d r Entsorgung (C) werden die Treibhausgasemissionen für die Verbrennung berechnet. Die negative Anrechnung in der Herstellung und die Anrechnung der Treibhausgasemissionen in der Entsorgung gleichen sich somit aus. In diesem Zusammenhang wird deshalb oft vereinfachend von der Klimaneutralität von nachwachsenden Rohstoffen gesprochen. Die Klimaneutralität von Holz in Bezug auf die CO2-Bilanz kann nur durch Holz aus nachhaltiger Bewirtschaftung vorausgesetzt werden. Gibt es noch andere positive Effekte durch das Bauen mit Holz? Zusätzlich zur temporären Speicherwirkung des biogenen Kohlenstoffs kann durch den Einsatz von Bauprodukten aus nachwachenden Rohstoffen Material aus endlichen Ressourcen wie Kunststoffen und Metall, aber auch aus mineralischen Fraktionen ersetzt werden. Dieser Vorgang wird Substitution, also Austausch oder Ersatz genannt. Das Substitutionspotenzial variiert je nach Umweltindikator. Der Grad der Substitutionswirkung, der durch die Verwendung von Produkten aus nachwachsenden Rohstoffen erreicht wird, lässt sich durch die Wahl der Mat ialien der Primärkonstruktion, aber auch des Ausbaus (Fenster, Türen, Böden und Fassadenverkleidung) maßgeblich steuern. Aus einem in Veröffentlichung befindlichen Forschungsbericht1 ergibt sich z. B. für den Indikator gwp ein Reduktionspotenzial von 22 bis 50 Prozent bei einem Einfamilienhaus oder 9 bis 48 Prozent bei einem Mehrfamilienhaus, je nachdem wie ökologisch die Materialien in der Konstruktion sind. Kommt es beim Bauen mit Holz nicht auch auf Ressourceneffizienz an? Wenn ein großer Kohlenstoffspeicher zum Erreichen von Klimaschutzzielen beiträgt, deutet zunächst alles auf eine möglichst großzügige Verwendung von Holz und Holzwerkstoffen hin. Im Sinne einer ressourceneffizienten Nutzung des Materials und des sinnvollen Einsatzes von Holzkonstruktionen darf dieser Schluss jedoch nicht voreilig getroffen werden. Für jede Bauaufgabe sollte aufs Neue die Abwägung zwischen umfassendem KohlenstoffSpeicher und ressourcen- sowie materialeffizientem Einsatz von Holz getroffen werden. Die Optimierung wird nach statischen, brandschutztechnischen, energetischen, ökonomischen und innenraumklimarelevanten Kriterien immer einen Kompromiss darstellen. Jede Konstruktionsart wird hierbei zu einem anderen Optimum führen. Annette Hafner Architektin und Junior-Professorin für Ressourceneffizientes Bauen an der Ruhr-Universität Bochum, davor langjährige Tätigkeit und Promotion an der tu München (Lehrstuhl für Holzbau und Baukonstruktion). Forschungsschwerpunkte Ökobilanzierung, Bauen mit Holz und Nachhaltigkeitsbewertung. Mitglied im wissenschaf tlichen Beirat für Waldpolitik des Bundesministeriums für Ernährung und Landwir tschaf t, Berlin. 1 Treibhausgasbilanzierung von Holzgebäuden – Umsetzung neuer Anforderungen an Ökobilanzen und Ermittlung empirischer Substitutionsfaktoren, Abschlussbericht zum Forschungsprojekt thg-Holzbau, Ruhr-Universität Bochum 2017. Lebenszyklus eines Gebäudes nach din en 15978 und din en 15804 second life A A B C D Produkt A1 Rohstoffbereitstellung A2 Transpor t A3 Herstellung Bauprozess A4 Transpor t A5 Bau⁄ Einbau Nutzung B1 Nutzung B2 Instandhaltung B3 Reparatur B4 Ersatz B5 Umbau⁄ Erneuerung B6 betrieblicher Energieeinsatz B7 betrieblicher Wassereinsatz Ende des Lebenswegs C1 Abbruch C2 Transpor t C3 Abfallbewir tschaf tung C4 Deponierung Gutschrif ten und Lasten Wiederverwendungs-, Rückgewinnungs- und Recycling-Potenzial cradle to gate – von der Wiege bis zum Werktor Bestandteile der epd (Umwelt-Produkt-Deklaration für Bauprodukte), der Grundlage zur Berechnung von Ökobilanzen cradle to grave – von der Wiege bis zur Bahre CO2 C C C C C © www.christof-reich.com

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